Prozesserklärung: #borni 20.01.20

Vieles könnten wir jetzt zusammen machen. Sinnvolles, schönes oder auch einfach nur praktisches, zum Beispiel Mittag essen. Dummerweise leben wir in einem sogenannten Rechtsstaat mit Superdemokratie und so kommts, dass wir hier in diesem stickigem Raum mit schlecht gelaunten Leuten in Uniform sitzen und darueber reden müssen, ob wer wann wie in welchem Haus welchen Frieden gebrochen hat und dann noch, ob diese Person wie auch immer passiven Widerstand ausgeuebt hat und was das eigentlich sein soll.


   
Und weils dann in den nächsten Stunden (und das werden viele sein, bei so vielen Anzeigen im Rahmen von Hausbesetzungen) eigentlich nur noch um diese Dinge gehen wird, würde ich jetzt gern über all jene Dinge sprechen, die sonst während Gerichtsverhandlungen keinen Platz bekommen, aber meine Motivation ausmachen. Bevor ich später noch mehr zu Hausbesetzungen sagen werde, möchte ich zunächst etwas persönlicher werden, und von einigen Dingen berichten, die mich prägen.

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Ich weiß nicht, ob sie dabei etwas fühlen. Mich macht das  traurig und wütend. Wie kann es sein, dass es ein System gibt, was den Tod von Menschen in kauf nimmt und sich gleichzeitig als Wohlstandsgesellschaft bezeichnet. Ein System, wo es immer ums Finanzielle geht und Menschen deswegen der Zugang zu Grundbedürfnissen verwehrt wird. Vielen Menschen sind die Konsequenzen dessen ziemlich egal oder sie haben es gut verdrängt, denn meistens fällt es ihnen nur auf, wenn sie selber oder nahestehende betroffen sind.

Aber was hat das denn jetzt mit Hausbesetzungen zu tun. Es sollte ja schon ein bisschen zum Thema passen, was ich hier sage. Ich glaube es sind diese ekelhaften sogenannten Sachzwänge im kapitalistischen System, die für mich klar machen, dass dieses System eigentlich keine Option darstellt. Und da ist es egal, ob wir über das Krankenhaus, Klima, globale Gerechtigkeit oder eben Wohnungspolitik sprechen – überall steht Profit über allem.

Und an dieser Stelle möchte ich zu Hausbesetzungen überleiten und warum ich sie für ein legitimes Mittel halte. Ich denke es wird kein Prozess rund um dieses Thema über die Bühne gehen, ohne dass die Unrechtmäßigkeit von Leerstand gegen die Rechtmäßigkeit ihrer Aneignung abgewogen wird. Und das ist unangenehm. Unangenehm, weil vielleicht dann auch die ekelhaften Sachzwänge deutlich werden und das geht aufs Gewissen – hier in gewaschenen Roben und Uniformen im beheizten Saal zu sitzen, während bei Minusgraden Menschen draußen schlafen. Unangenehm ist es, weil diese Menschen Kratzer in das Bild einer sogenannten gerechten Wohlstandsgesellschaft machen und das schadet dem Selbstbild einer anständigen Bürger*in.   Man möchte diese Kratzer am liebsten nicht sehen oder sie vom Tisch, zack in die Ecke kehren, wie Krümel. Das, im Übrigen, ist auch ein gutes Bild für Gentrifizierung.

Für alle, die mehr mit Statistik als mit Analogien anfangen können, hier ein paar Zahlen: 
In Berlin sind aktuell 50.000 Menschen wohnungslos.  Wenn man auf die Straße hinausgeht, ist das unverkennbar. Das war vor einigen Jahren, als ich in diese Stadt gekommen bin noch anders. Die Tendenz ist weiterhin steigend.
Zur Veranschaulichung heißt das, dass in diesem Gerichtssaal (zusammen mit den Menschen, die draußen warten,) statistisch 2 wohnungslos sind. In diesem konkreten Fall, in diesem Saal, sind es sogar 3. Das ist keine Möglichkeit, keine abstrakte Zahl, sondern Realität, ich kenne sie persönlich.

Und wenn von den ‚statistisch erfassten‘ Wohnungslosen dies vielen gar nicht anzusehen ist, gilt das erst recht für all jene, die sich, um dieses Prädikat zu umgehen, in prekäre Wohn- und Lebenssituationen zwingen müssen. Wie viel mehr Menschen aufgrund steigender Mieten momentan ohne Strom leben, die Heizung nicht bezahlen können oder sich kaum mehr ausreichend ernähren können, entzieht sich Statistiken über Wohnungslosigkeit. Menschen können nicht ausziehen, wenn sie sich an einem Ort nicht mehr wohl fühlen, weil sie Angst haben müssen, keine neue Wohnung zu finden. Andere müssen ihr soziales Umfeld verlassen, weil für ihre Art des Zusammenwohnens kein Platz mehr ist, wie z.b. die immer öfter durch Sanierungsprojekte verdrängten Wohngemeinschaften.

Nun noch einmal zurück zu Hausbesetzungen. Wird ein Haus besetzt kommen häufig die Eigentümerinnen oder Verwalterinnen dieser Häuser, die in einem schönen großen Haus ganz woanders wohnen und sagen, dass die Menschen, die das Haus besetzen, ihnen ja quasi die Pistole auf die Brust setzen. Erpressung sei das. Nun, vielleicht spüren sie in diesem Moment eine Art unangenehmen Druck. Den müssen sie in der Regel gar nicht so lange aushalten, da Polizei, Rechtsstaat und Politik ganz besonders ihre Interessen schützen. Ich denke, was in solchen Momenten als Erpressung bezeichnet wird, ist nichts im Vergleich zu der Erpressung durch das kapitalistische System, die andere Menschen tagtäglich spüren. Bei dieser Erpressung gehts dann nämlich um ganz andere, viel konkretere persönlichere Dinge. Sie wird oft gut versteckt im Privaten, hinter der – vielleicht noch vorhandenen – Wohnungstür. Sie bedeutet: Entweder Dir wird Dein Wohn- und Schutzraum genommen oder Du gehst eben noch mehr arbeiten, kaufst weniger zu essen, kaufst weniger zu Weihnachten, lebst eben doch nicht Bio, keinesfalls gesund und so weiter… (oder nimmst Dir gar Zeit, Dich mit dieser Ungerechtigkeit zu beschäftigen!) Oder wenn dir das alles nicht passt du die Mieterhöhung nicht dulden willst kannst du auch an den Stadtrand oder in eine andere Stadt ziehen, verlässt dein soziales Umfeld, suchst dir nen neuen Job und deine Kinder gehen auf eine andere Schule. Was bitte ist das, wenn nicht Erpressung?

Die dahinter steckende Armut ist systematisch, daher ist es logisch, dass die verfehlte Wohnungspolitik Menschen mit niedrigem Einkommen am härtesten trifft. Für Hartz4-Empfängerinnen, die eine neue Wohnung suchen, kommen in Berlin überhaupt nur 5% der Wohnungen infrage, die meisten am Rande der Stadt. Eine weitere Statistik besagt, dass insbesondere  in Berlin unterdurchschnittliche Einkommen mit schnell steigenden Mieten zusammenprallen. Im Durchschnitt geben Berlinerinnen 45%  ihres Einkommens für Miete aus. Da bleibt besonders bei niedrigem Einkommen nicht viel zum Leben, können sie sich ja vorstellen.
Aber ja, solange Wohnraum eine gut vermarktbare Ware für den Teil der Gesellschaft ist, der Verdrängung und existenzielle Not nur ausm Fernsehen kennt, werden wir wohl weiter darüber diskutieren, ob es eigentlich ok ist, in ungenutzte leerstehende Häuser reinzugehen und dort einen selbstverwalteten Ort zu schaffen, den Menschen profitunabhängig nutzen können.

Ich möchte betonen, dass Geld nicht alles ist und es durchaus auch weitere Unterdrückungsmechanismen gibt – die dann in letzter Konsequenz häufig auch mit Armut und Verdrängung einhergehen. Dazu ein paar andere, sozusagen „Geschichten“ des Wohnungsmarktes:
Aus einer queer-feministischen Perspektive bekommen speziell FLTI, also Frauen, Lesben, trans- und inter-Personen (FLTI²) eine weitere Zuspitzung der Verdrängung zu spüren. Wenn etwa FLTI aufgrund von häuslicher beziehungsweise patriarchaler Gewalt ihre Wohnung verlassen müssen, bleibt oft nur der Weg in die Obdachlosigkeit. Auf der Suche nach einer neuen Unterkunft kommt es zu Zweckbeziehungen und äußerst prekären Lohnarbeitsverhältnissen. Neun von zehn wohnungslosen FLTI machen Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt. Unter anderem kommt es in gemischten Schlafunterkünften für Wohnungslose häufig zu sexualisierter Gewalt. Geschützte Räume für von Wohnungslosigkeit betroffenen FLTI gibt es viel zu wenige und in Berlin ist die Hälfte der Einrichtungen mit Schutzräumen von der Schließung bedroht, weil der Vermieter den Vertrag gekündigt hat. 
Die hohen Mieten und die Vorbehalte von Vermieter*innen gegenüber obdachlosen Personen machen Neuanmietungen quasi unmöglich. Auch andere soziale Einrichtungen, wie Kitas oder Pflegeheime haben auf dem kapitalistischen Immobilienmarkt kaum eine Chance. Gesellschaftlich und körperlich eingeschränkte Menschen, Alleinerziehende und nicht-Weiße FLTI sind durch Anforderungen von Sorgearbeit, Zwänge der Lohnarbeit und unzureichende Unterstützung oft in mehrfacher Hinsicht von der gegenwärtigen Wohnungsnot betroffen.

Eine weitere Perspektive auf Verdrängung und Unterdrückung, ist die von Migrantinnen. Ich möchte nicht zu ausufernd werden, denn ich setze vorraus, dass die rassistischen Strukturen, die unserem System zugrunde liegen und es in gewisserweise tragen, allen bekannt sind. Um nur ein konkretes Beispiel im stadtpolitischen Kontext zu nennen: Nachgewiesenermaßen ist es mit bestimmten „nicht-deutsch“ klingenden Nachnamen deutlich schwerer eine Wohnung anzumieten, selbst bei städtischen Wohnungsunternehmen. Menschen die so schwer eine Bleibe finden und gleichzeitig selten Rechtsbeistand haben, sind viel häufiger Opfer von Wuchermietverträgen ohne irgendeinen Kündigungsschutz. Eine weitere Statistik besagt, dass 2016 die Hälfte der Wohnungslosen Geflüchtete waren. Die Zahl wurde durch die Unterbringung von Geflüchteten in speziell für sie vorgesehenen Unterkünften etwas poliert. Aber eigentlich ists eher eine Farce, oder würden Sie gerne einen Container, den sie mit 2 Fremden teilen als Wohnung bezeichnen? Ist das nicht eine miese Ironie? Ob es nun das Erbe der Kolonialherrschaft bzw. die darrausfolgenden bis heute überdauernden Strukturen, die Schäden der Weltkriege oder die aktuellen Waffenexporte sind – Deutschland trägt eine Schuld an den Fluchtursachen, um dann diejenigen, die es tatsächlich über Meere, durch Zäune und an Waffen vorbei schaffen und hier ankommen erneut an allen Ecken durch Diskriminierungen und Exklusion auszuschließen. Die Wohnungspolitik macht es ganz bildlich: in Mitte die reichen, weißen; am Rand der Stadt, in Notunterkünften oder auf der Straße die Armen.
 
Nun gibts ja Ideen und Orte, an denen nicht alles perfekt ist, aber zumindest ernsthaft versucht wird für und mit Menschen – und insbesondere mit von Diskriminierung und Ausschluss betroffenen Menschen – unabhängig vom Geldbeutel einen Raum und vor allem auch Wohnraum zu schaffen.
       
Viele dieser Orte, die es schon länger gibt und die wichtige unkommerzielle solidarische Gegenpole in durchkommerzialisierten Kiezen sind, sind akut räumungsbedroht. Sei es die Potse, das queer-feministische Projekt Liebig34, Meuterei oder Syndikat – um nur einige hier in Berlin zu nennen. Auch hier erscheint das Aufzählen der Projekte eher abstrakt, aber in all diesen Orten leben Menschen, die  dann ohne   zuhause, Kiezgemeinschaft oder  Kollektiv bleiben.

 Aus der Borni hätte nach so langem verantwortungslosen Leerstand ein selbstverwalteter und unkommerzieller Raum werden können, einer der sich der kapitalistischen Logik entzieht und Menschen die Möglichkeit gibt ihren Kiez und Räume selbst zu gestalten. Es ist ja fein säuberlich in der Akte abgeheftet, aber für alle die nicht zum Lesen gekommen sind, würde ich trotzdem gern Auszüge aus dem Konzept vorstellen:

 Im Parterre soll ein offener Kiezraum entstehen, der ein Raum für Veranstaltungen, Vernetzung in der Nachbarschaft, gegenseitige Hilfe und das Zusammenkommen von Menschen ermöglicht ohne einen teuren Latte Macchiato für 3,69 euro zu kaufen. Ebenso ist eine selbstverwaltete Kinderbetreuung vorgesehen. In den oberen Etagen ist Platz für Wohnraum. Da wir uns dieses Haus als ein Raum für Selbstverwaltung wünschen, stellt es einen Prozess dar, das Projekt zu entwickeln und entsteht Schritt für Schritt gemeinsam mit den Menschen, die Lust haben sich einzubringen und sich solidarisch zu organisieren. Solidarisch bedeutet ohne Diskriminierung, Konkurrenzbestreben und sich gegenseitig unterstützend. 
 
Und nun, bevor Ingo, also Ingo Malter der Geschäftsführer von Stadt und Land, der uns hat räumen lassen, das später erzählt und sich selber lobt – was danach geschah:
Einige Monate nach der Besetzung wurde der Bauantrag für die Sanierung des Hauses beim Bezirksamt eingereicht und anschließend mit den Baumaßnahmen begonnen. Ab Dezember 2019 – also jetzt – soll die Kita fertig sein (ob das stimmt, kann uns Ingo später selber erzählen) und ab irgendwann 2020 soll der Rest für studentisches Wohnen zur Verfügung gestellt werden. Ich würde gern wissen, ob Stadt und Land die Kita auch ohne die Anregung aus unserem Konzept gebaut hätte. Wird es auch einen Kiezraum geben? Nein im Ernst, viel wichtiger ist, ob Stadt und Land überhaupt angefangen hätte irgendwas zu machen, wenn sie nicht ungewollt in den Fokus gerückt worden wären. 

Ich find Kitas gut und Studis müssen ja auch irgendwo wohnen. Trotzdem gibts da noch einen kleinen Haken. Ich glaube dass unkommerzielle, selbstverwaltete Räume enorm wichtig sind, die, wenn die Stadt schon nicht nur daraus besteht, wenigstens Inseln bieten in denen ein anderes Miteinander möglich ist und in denen Menschen leben und sich einbringen können, die sonst, außerhalb dieser Inseln keine oder viel weniger Möglichkeiten bekommen.

Die „Borni“ hätte so eine Insel werden können, jetzt ist sie weiterhin oder wieder ein Teil des kapitalistischen Wohnungsmarktes, der beispielsweise Menschen mit geringem Einkommen, Migrant*innen, Obdachlose, FLTI – um einige Gruppen zu benennen, erpresst und aus der Stadt drängt.

Und jetzt nochmal zu den Fragen der Rechtmäßigkeit und Legitimität. Ist es egal, dass ein Haus leer steht? Ist es egal, wenn luxussaniert wird und dafür Menschen rausgeschmissen werden? Wie egal ist es überhaupt, wenn Menschen auf der Straße schlafen? Und ist egal, wenn der dringend benötigte Neubau wieder mal nicht denen zugute kommt, die von Verdrängung betroffen sind? Kann es sein, dass es erst dann nicht mehr egal ist, wenn Menschen sich wehren und dabei gegen das Eigentumsrecht verstoßen? 

Wir könnten auch sagen, gute Aktion diese ganze Besetzungssache da, der Leerstand war illegal und illegitim und endlich war Stadt und Land gezwungen mit den Baumaßnahmen zu beginnen. In diesem Fall ist es allerdings verlogen 56 Personen wegen Hausfriedensbruchs zu kriminalisieren.

Und, eine kleine Sache möchte ich noch erwähnen… es gibt ja auch Fälle in denen besetzt wurde und es nicht zur Kriminalisierung kam. Die Besetzung in der Frankfurter Allee im September 2019 beispielsweise. Das Gebäude stand viele Jahre leer, nun erst, nach dem es besetzt wurde, wird es wohl in absehbarer Zeit wieder in Nutzung sein. Wäre es nun besser gewesen, diese Besetzung wäre nicht passiert und das Eckhaus würde weiterhin leer stehen?

Ich wäre jetzt fertig, wenn ich hier nur wegen Hausfriedensbruch vor Gericht stünde. Dem ist aber nicht so. Ich stehe auch wegen dem sogenannten Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vor Gericht.  Der Paragraph wurde wohl nicht ganz zufällig kurz vor dem G20 Gipfel in 2017 verschärft. Ziel der Verschärfung ist es, die Polizei quasi unantastbar zu machen. Wer sich bei einer Verhaftung etwas zu viel bewegt, wer physische und psychische Gewalt nicht stoisch entgegennimmt, wer sich ‚schwer‘ macht, also, wer nicht gerade in vorauseilendem Gehorsam bei der eigenen Verhaftung hilft, der soll in den Knast oder zumindest eine hohe Geldstrafe zahlen. Auch als Gegenanzeige, wenn Menschen es wagen Polizeigewalt zur Anzeige zur bringen, ist ein Paragraph dessen Inhalt so fraglich und auslegbar ist, ideal. Oder sogar schon einen Schritt vorher, in Situationen in denen die Polizei gewaltvoll vorgeht, ist es geradezu praktisch ein paar Menschen des Widerstandes anzuklagen um zu verhindern, dass diese Menschen Polizeigewalt anzeigen. 

   Die deutschen Polizist*innen fühlen sich schon ein bisschen unantastbar und sind in der Folge nicht zögerlich ihren neuen Lieblingsparagraphen zu benutzen. Typisch für den großzügigen Gebrauch dieser Paragrafen ist auch die beinahe Verdopplung der Anzeigen des Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in 2018 gegenüber 2017, obwohl alle andere Straftaten mit Verbindung zum sog. Linksextremismus um die Hälfte geringer ausgefallen sind. Letzteres lässt sich durch ein fehlendes Großevent wie die G20-Proteste erklären (so wörtlich im 2018er Bericht des Bundesverfassungsschutz). Dass die Widerstands-Anzeigen sich verdoppelt haben, zeigt eine große Experimentierfreude bezüglich der Dehnbarkeit des neuen Paragrafen und eine Mentalität des „im Zweifel immer Widerstand“ bei den Polizeibehörden. Dass dabei öfters Fakten verdreht oder glasklare Lügen eingesetzt werden müssen, scheint weder die Verantwortlichen bei der Polizei, noch die Staatsanwaltschaft groß zu interessieren. 

Neben dieser neuen rechtlichen Waffe erfreute sich die physische bei der Polizei schon immer großer Beliebtheit, ich würde fast sagen, die ist seit es die Polizei gibt ein echter Allrounder. Alle wissen, dass es Polizeigewalt gibt, dass der Knüppel keine Dekoration ist und das von Polizist*innen ausgehende Unverhältnismäßigkeit oder auch sinnlose Schikane, keine Konsequenzen hat und ungestraft bleibt. Das denke nicht nur ich mir aus, sondern sogar Amnesty International kritisiert das alljährlich in den Abschlussberichten.

[…]

Vielleicht wars mir    auch wichtig so ein bisschen zu erzählen warum ich so denke wie ich denke, weil ich das Gefühl da habe das Aktivistinnen in euren  Gerichten immer son bisschen als dumme verbohrte Straftäterinnen da stehen. Das sind wir nicht. Wir sind mittlerweile schon länger auf dieser Welt, haben dies und das gesehen und unsere Köpfe sind groß genug zum denken. Deswegen gibts für uns auch keinen Grund uns hier klein zu machen oder irgendwie abzuducken. Ich bin unfreiwillig Teil einer Gesellschaft, die Menschen unterdrückt und die für einige Menschen ein sehr gutes und für andere ein sehr schlechtes Leben garantiert, einfach nur wegen Geld, Herkunft, Geschlecht, was auch immer. Mir tut das weh und ich kann das nicht hinnehmen und deswegen will ich eine andere.